Die kurze Antwort ist: Leider nein, sorry. Und jetzt kommt die etwas längere Antwort: Auf Initiative der Bundesregierung befindet sich derzeit ein Gesetzesentwurf im parlamentarischen Prozess, der die Fachkräftezuwanderung erleichtern soll. Dementsprechend lautet der offizielle Titel auch: „Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“. Man will damit ein System, das beispielsweise in Kanada etabliert sein soll, für Deutschland adaptieren: Menschen, die nach Deutschland einwandern wollen, bekommen nach bestimmten Kriterien Punkte. Wenn man beispielsweise „gute“ Deutschkenntnisse hat (= B2-Niveau), dann bringt das drei Punkte, wenn man höchstens 35 Jahre alt ist, bringt das zwei Punkte, usw. Berufliche Erfahrung oder Qualifikationen wird ggf. mit weiteren Punkten honoriert. Wer auf mindestens sechs Punkte kommt, hat gewonnen, und kann eine sog. „Chancenkarte“ bekommen.
Ich will an dieser Stelle nicht darauf eingehen, was grundsätzlich von diesem Konzept zu halten ist, und für wie gelungen man die konkrete Umsetzung halten muss. Mir geht es an dieser Stelle darum, ob Menschen in der Duldung oder Aufenthaltsgestattung, und damit eben ein großer Teil der Menschen, die sich im Asylverfahren befinden oder deren Asylantrag abgelehnt wurde, aus diesem Gesetzesentwurf etwa für sich herleiten können.
Weiterlesen: „Chancenkarten“ für Geduldete?Gute Migration, böse Migration
Im herrschenden deutschen migrationsrechtspolitischen Diskurs wird streng zwischen der erwünschten „regulären“ Migration und der für unerwünscht gehaltenen „irregulären“ Migration unterschieden. Wenn von Fachkräftezuwanderung gesprochen hat, dann ist damit in aller Regel Erstere gemeint. Reguläre Migration meint in diesem Zusammenhang, dass Menschen, die nach Deutschland einwandern wollen, vor der Einreise zu der für ihren Aufenthaltsort zuständigen deutschen Botschaft gehen und sich das passende Visum für den angestrebten Aufenthaltszweck beschaffen. Die Botschaft prüft dann unter Beteiligung der jeweils zuständigen Ausländerbehörde (ABH), ob alle Voraussetzungen für den begehrten Aufenthaltstitel vorliegen, und sollte dem so sein, wird das passende Visum erteilt. Möchte also bspw. jemand als Ärzt*in nach Deutschland kommen, wird geprüft, ob der ausländische Hochschulabschluss in Deutschland anerkannt werden kann, ob ein adäquates Arbeitsangebot in Deutschland vorliegt, ein ausreichendes Gehalt gezahlt wird, usw. Die Botschaften (und ggf. Konsulate etc.) übernehmen hierbei die eine ähnliche Funktion wie die Türsteher*innen vor einem Club: Sie achten darauf, dass nur die Leute hereinkommen, die man auch haben will.
Demgegenüber steht die sog. irreguläre Migration. Damit ist gemeint, dass Menschen ohne Visum oder Pass oder zumindest nicht dem richtigen Visum einreist (z.B. Touristenvisum, das höchstens 90 Tage gültig ist, obwohl ein längerfristiger Aufenthalt beabsichtigt ist). In diese Kategorie fallen ein großer Teil der Geflüchteten (aber auch nicht alle, eine Ausnahme bilden bspw. Menschen, die im Rahmen entsprechender Aufnahmeprogramme nach § 23 AufenthG aus dem Ausland aufgenommen werden).
Politischen Streit gibt es regelmäßig um die Behandlung derjenigen Menschen, die erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen haben. Nach der konservativen Lehre sei es erforderlich, dass diese Menschen mit möglichst wenig Ausnahmen wieder Deutschland verlassen. Diese Forderung wird begründet mit dem Mythos vom Pull-Effekt: Nach dieser Auffassung würden zu viele Menschen „irregulär“ nach Deutschland kommen und die Sozialsysteme belasten, wenn sich herumspreche, dass Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel nicht dazu gezwungen würden, Deutschland alsbald wieder zu verlassen. Einen Beleg für diese Behauptung gibt es nicht; trotzdem kommt ihr leider ein starkes Gewicht in der Debatte zu.
Demgegenüber wird seit einigen Jahren zunehmend verlangt, dass es Menschen, die sich gut „integriert“, insbesondere Arbeit oder einen Ausbildungsplatz gefunden haben, die Möglichkeit haben sollen, auch dann, wenn sie ursprünglich ohne (passendes) Visum gekommen sind, eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Zur Begründung wird hier unter anderem auf den sogenannten Fachkräftemangel verwiesen (an dieser Stelle vollständigkeitshalber noch mal der Hinweis, dass auch diese Auffassung nicht ganz unproblematisch ist, da sie humanitäre Fragen und die Interessen der Betroffenen weitgehend ausblendet und alleine deutsche ökonomische Interessen in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden).
Das politische Stichwort, unter dem diese Diskussion geführt wird, ist der sogenannte „Spurwechsel“. Die bislang vorgelegten Gesetze bzw. Gesetzesentwürfe zur Fachkräftezuwanderung sind ihrer Zielrichtung indes nicht darauf gerichtet, diese Diskussion zu beenden, indem der „Spurwechsel“ ermöglicht wird. Sie sind vielmehr darauf gerichtet, „reguläre“ Migration im vorstehend skizzierten Sinne als Fachkräftezuwanderung zu erleichtern. Derartige Vorhaben sind keine umwälzende Neuerung der Ampel. Auch zur Zeit der Großen Koalition unter Merkel gab es schon Vorhaben, die in diese Richtung zielten. Der hier vorgelegte Gesetzesentwurf bringt insofern keine umwälzende Neuerung (oder gar einen Paradigmenwechsel), sondern schreibt diesen Ansatz lediglich fort.
Schon dieser politische Hintergrund macht deutlich, dass es hier gar nicht darum geht, geduldeten Menschen eine Perspektive zu geben. Das ist nicht das Ziel dieses Gesetzes. Ganz im Gegenteil heißt es in § 20a Abs. 4 Satz 2 AufenthG-E:
Einem Ausländer, der sich bereits im Bundesgebiet aufhält, darf die Chancenkarte nur erteilt werden, wenn er im Besitz eines Aufenthaltstitels nach Abschnitt 3 oder Abschnitt 4 ist.
Das Gesetz ist also ausdrücklich so formuliert, dass Menschen in der Duldung grundsätzlich keine Chancenkarte bekommen können: Chancenkarte gibt es nur, wenn man noch im Ausland ist, oder bereits einen anderen Aufenthaltstitel zur Ausbildung oder zur Erwerbstätigkeit hat. Menschen in der Duldung könnten also allenfalls auf Umwegen zu einer Chancenkarte gelangen, beispielsweise, wenn sie nach einer Ausbildung zunächst eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG bekommen und dann ihren Job verlieren. In diesem Falle könnte die Chancenkarte vielleicht eine Perspektive sein, wenngleich sie im Vergleich zur Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG wohl eher eine Verschlechterung sein dürfte.
Gesetz kann Spuren von Spurwechsel enthalten
Dennoch könnte der Gesetzentwurf auch für diese Menschen positive Auswirkungen haben. Hier verdienen zunächst die angekündigten Änderungen im bereits erwähnten § 19d AufenthG Beachtung. Hierbei handelt es sich um eine Aufenthaltserlaubnis, die sich speziell an „qualifizierte Geduldete“ richtet.
Aus dem „kann“ in § 19d Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird ein „soll“ – das macht die Vorschrift verbindlicher, dürfte in der Praxis aber keine allzu großen Auswirkungen haben. Weiter werden Berufe aus der Pflegehilfe aufgenommen. Das ist durchaus zu begrüßen: Ausbildungen der Pflegehilfe werden aufenthaltsrechtlich mitunter nicht anerkannt, da eine qualifizierte Ausbildung nach § 2 Abs. 12a AufenthG eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren voraussetzt, was bei Berufen in der Pflegehilfe nicht immer der Fall ist. Die Änderung ist daher positiv, weil sie dazu führt, dass auch Geduldete in der Pflegehilfe jetzt die Möglichkeit haben, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG zu bekommen.
Außerdem soll die Vorschrift einen neuen Absatz 4 erhalten, der es ermöglicht, dass auch Menschen, die nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, also beispielsweise nach §§ 25 Abs. 5, 25a oder 25b AufenthG, jetzt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19d Abs. 1 AufenthG bekommen können. Auch das ist im Prinzip erfreulich, wobei gewiss interessante Auseinandersetzungen mit Ausländerbehörden anstehen, wenn man den Aufenthaltstitel nicht anstelle des humanitären Aufenthaltstitels, sondern zusätzlich zu diesem erhalten möchte. Für ein solches Ansinnen spricht insbesondere, dass Ausländerbehörden Aufenthaltserlaubnisse nach § 19d AufenthG gerne an eine bestimmte Erwerbstätigkeit koppeln, sodass jede Änderung des Arbeitsplatzes einer erneuten Genehmigung durch die ABH bedarf. Die erwähnten humanitären Aufenthaltserlaubnisse hingegen werden regelmäßig mit einer allgemeinen Beschäftigungserlaubnis erteilt.
Leider bleiben die Inhaber*innen einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG weiter von der „Niederlassungserlaubnis für Fachkräfte“ nach § 18c AufenthG ausgeschlossen. Auch diese Vorschrift soll geändert werden, und zwar so, dass die Inhaber*innen der dort genannten Aufenthaltserlaubnisse eine Niederlassungserlaubnis (also einen unbefristeten Aufenthaltstitel) fürderhin bereits nach drei Jahren bekommen können. Da § 19d AufenthG jedoch in der dortigen Aufzählung der Aufenthaltstitel fehlt und auch nicht dort aufgenommen werden soll, werden die Inhaber*innen einer solchen Aufenthaltserlaubnis nicht von dieser Änderung profitieren.
Das bedeutet freilich nicht, dass es mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 19d AufenthG unmöglich ist, eine Niederlassungserlaubnis zu bekommen. Allerdings bleibt es insoweit halt bei den allgemeinen Voraussetzungen des § 9 AufenthG. Das bedeutet unter anderem, dass fünf Jahre rechtmäßiger Aufenthalt nötig sind und 60 Rentenbeiträge gezahlt worden sein müssen. Die Ampel hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, die Anforderungen abzusenken, bis jetzt jedoch nicht geliefert. Vor dem Hintergrund, dass es vermutlich bald möglich sein wird, sich nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts einbürgern zu lassen, dürfte es dann häufig sinnvoller sein, direkt die Einbürgerung statt einer Niederlassungserlaubnis zu beantragen.
Besondere Umstände
Eine interessante Änderung betrifft § 5 Abs. 2 AufenthG. Dieser lautet, soweit hier von Interesse (Hervorhebung durch mich):
(2) 1Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis […] voraus, dass der Ausländer
1. mit dem erforderlichen Visum eingereist ist […].2Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.
Die Vorschrift soll in Zukunft so aussehen (Hervorhebung durch mich):
(2) 1Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis […] voraus, dass der Ausländer
1. mit dem erforderlichen Visum eingereist ist […].2Von den Voraussetzungen nach Satz 1 kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind; von den Voraussetzungen nach Satz 1 ist abzusehen, wenn es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen.
Die Vorschrift ist einer der wesentlichen Gründe, warum der „Spurwechsel“ bislang praktisch selten gelingt: Sie bestimmt ausdrücklich, dass man einen Aufenthaltstitel nur bekommen kann, wenn man mit dem passenden Visum eingereist ist.
§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bestimmt nun zwei Ausnahmen von dieser Visumspflicht: Dass ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht, und dass das Visumverfahren aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht nachgeholt werden kann. Bislang („kann abgesehen werden“) ist es in beiden Fällen eine Ermessensentscheidung der ABH, ob sie von der Erteilung des Visumverfahrens absieht.
Die Fälle der Unzumutbarkeit sollen nun zu einer gebundenen Entscheidung werden: Ist die Nachholung des Visumverfahrens nicht zumutbar, so „kann“ die ABH den Aufenthaltstitel nicht mehr auch ohne Nachholung des Visumverfahrens erteilen, sondern sie muss es sogar. Das könnte tatsächlich im positiven Sinne recht weitreichende Konsequenzen haben, einerseits prozessual, andererseits materiell-rechtlich, und zwar gerade auch in Fällen, in denen es vordergründig gar nicht um Arbeitsmigration geht, sondern beispielsweise um Familiennachzug.
Prozessual bedeutet es einerseits, dass die Entscheidung über die Nachholung des Visumverfahrens voll durch die Verwaltungsgerichte überprüfbar wird. Ermessensentscheidungen hingegen werden durch Verwaltungsgerichte nur eingeschränkt überprüft. Das für sich genommen würde aber wahrscheinlich noch nicht allzu viel ändern, denn wenn schon eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne vorliegt, ist es recht naheliegend, dass hier möglicherweise auch das Ermessen der Behörde entsprechend reduziert sein dürfte, was auch bis jetzt schon verwaltungsgerichtlich überprüfbar war.
Spannender sind die materiell-rechtlichen Auswirkungen der Änderung. Um die zu verstehen, muss man allerdings noch einmal ein wenig ausholen: Wenn Menschen einen Asylantrag gestellt haben, der abgelehnt wurde, oder wenn sie ihren Asylantrag selbst zurück genommen haben, greift eine sogenannte Titelerteilungssperre. Hierzu heißt es in § 10 Abs. 3 AufenthG:
(3) 1Einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, darf vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 erteilt werden. 2Sofern der Asylantrag nach § 30 Abs. 3 Nummer 1 bis 6 des Asylgesetzes abgelehnt wurde, darf vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden. 3Die Sätze 1 und 2 finden im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels keine Anwendung; Satz 2 ist ferner nicht anzuwenden, wenn der Ausländer die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 erfüllt.
Die Vorschrift ist weiterer Grund, warum Spurwechsel bis jetzt faktisch weitgehend ausgeschlossen sind. Es ist eben der ausdrückliche Wechsel, dass Menschen nach negativem Abschluss eines Asylverfahrens nur unter erschwerten Bedingungen in den Genuss eines Aufenthaltstitels kommen sollen. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist aber immer noch möglich, wenn ein Anspruch vorliegt.
Was in diesem Sinne unter einem Anspruch zu verstehen ist, scheint sich auf den ersten Blick aus dem Gesetz zu ergeben. So heißt es etwa in § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, wo es um den Familiennachzug zu Deutschen geht: „Die Aufenthaltserlaubnis ist […] zu erteilen […]„. Es ist also, wenn man so möchte, als eine Art Befehl an die Behörde formuliert, der der ABH eben kein eigenes Ermessen mehr lässt. Demgegenüber heißt es beispielsweise in § 33 Satz 1 AufenthG, wo es um Kinder, geht, die in Deutschland geboren wurden: „Einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wird, kann […] eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden„. Hier handelt es sich also um eine Ermessensentscheidung der ABH.
Man könnte jetzt also ganz naiv auf die Idee kommen, zu sagen, wenn ich Papa eines deutschen Kindes werde, habe ich einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels. Dieser Anspruch durchbricht die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG, sodass ich eine Aufenthaltserlaubnis bekommen muss, selbst wenn ich zuvor erfolglos ein Asylverfahren betrieb.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hingegen hat seit rund 15 Jahren eine Rechtsprechung entwickelt, die derartige Ansprüche weitgehend aushebelt. So entschied es bereits mit Urteil vom 16.12.2008 – 1 C 37.07 -, 3. Leitsatz:
3. Ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG muss ein strikter Rechtsanspruch sein, der sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Ein Anspruch aufgrund einer Ermessensvorschrift genügt auch dann nicht, wenn das Ermessen im Einzelfall „auf Null“ reduziert ist. Ob Regelansprüche oder Ansprüche aufgrund von Sollvorschriften dazu zählen, bleibt offen.
Das OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.08.2018, OVG 11 M 22.18, hat aus der Rechtsprechung des BVerwG geschlussfolgert (Rn. 7):
Denn ein strikter Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG besteht vorliegend bereits deshalb nicht, weil dem die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG entgegensteht und ein Absehen hiervon gemäß Satz 2 im behördlichen Ermessen steht.
Obwohl § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG also auf den ersten Blick als Anspruch formuliert worden zu sein scheint, kommt das OVG Berlin-Brandenburg zu dem Ergebnis, dass es gar kein Anspruch ist, denn die ABH muss ja auch in diesen Fällen eine Ermessensentscheidung treffen, ob vom Visumverfahren abgesehen werden kann. Damit hat man aus dem vermeintlichen Anspruch im Ergebnis eine Ermessensentscheidung gemacht, die dann aber in der Konsequenz auch nicht mehr die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG durchbrechen kann, sodass Menschen, die erfolglos einen Asylantrag gestellt haben, letztlich von dieser Aufenthaltserlaubnis weitgehend ausgeschlossen worden sind und sich dann regelmäßig auf Aufenthaltserlaubnisse aus humanitären Gründen, beispielsweise § 25 Abs. 5 AufenthG, verweisen lassen müssen (evtl. kann in diesen Fällen auch das Unionsrecht, also das Freizügigkeitsrecht der Europäischen Union, weiterhelfen, aber dazu ließe sich eine ganze Serie eigener Blog-Artikel schreiben).
In diesem Zusammenhang ist die hier beabsichtigte Änderung von Interesse: Wenn es eben keine Ermessensentscheidung mehr ist, ob die ABH in Fällen der „Unzumutbarkeit aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls“ von der Nachholung des Visumverfahrens absieht, dann käme die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels eben wieder in Betracht – wenn man es denn schafft, jene Umzumutbarkeit darzulegen.
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