Die Geflüchteten und der Arbeitsmarktzugang

Viel gestritten wird in diesen Tagen wieder über Migration, und traurigerweise besteht von AfD über FDP, CxU und SPD bis zu den Grünen Einigkeit darüber, dass man mehr und schneller abschieben müsse. Immerhin wird in den letzten Tagen aber auch verstärkt über den Arbeitsmarktzugang geflüchteter Menschen geredet. Das ist im Prinzip eine sinnvolle Debatte, weswegen ich hier an dieser Stelle mal ein paar Gedanken dazu aus meiner höchst subjektiven anwaltlichen Sicht niederschreiben möchte.

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Rechtlicher Rahmen und praktische (Nicht-)Umsetzung

Vorab ein paar Worte zum rechtlichen Rahmen. Die nachstehenden Ausführungen erheben ausdrücklich nicht den Anspruch, eine umfassende und vollständige Darstellung der Rechtslage darzustellen. Dazu sind die Regelungen viel zu komplex, als dass sie sich mal eben in einem Blogbeitrag zusammenfassen ließen. Das ist dann aber auch schon ein wesentlicher Teil des Problems, denn komplexe Regelungen führen auch zu einer entsprechend aufwändigen Umsetzung in der Verwaltung, und es ist eine Tatsache, dass dies in hoffnungslos überlasteten Ausländerbehörden vielfach nicht funktioniert. Die Konsequenz ist, dass es viele Fälle gibt, in denen Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren, obwohl rechtlich eigentlich nichts dagegen spräche, dass die Menschen eine Arbeit aufnehmen, aber eben einfach nur deswegen, weil die Ausländerbehörden es nicht gebacken bekommen, die Anträge in einem angemessenen Zeitraum zu bearbeiten.

Solange dieser Möchtegernrechtsstaat seine ihm selbst auferlegten Hausaufgaben nicht erledigt bekommt, ist indes jede Diskussion über den Arbeitsmarktzugang geflüchteter Menschen, die nicht auch die Belastung der Ausländerbehörden in den Blick nimmt und deswegen eine drastische Vereinfachung der einschlägigen Bestimmungen umfasst, von vorneherein nichts weiter als eine ärgerliche Farce. Dies vorweg geschickt, kann man im Prinzip drei Fallkonstellationen unterscheiden:

1. Schutzberechtigte Personen

Da wären zunächst die Menschen, die bereits, typischerweise nach mehr oder weniger erfolgreich durchlaufenem Asylverfahren, als schutzberechtigt anerkannt worden sind. Sie bekommen in aller Regel eine Aufenthaltserlaubnis nach den § 25 Abs. 1 bis 3 AufenthG. Dann bestimmt § 4a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, dass sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen dürfen. Was wiederum eine Erwerbstätigkeit ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 AufenthG. Der Begriff der Erwerbstätigkeit umfasst sowohl die Beschäftigung, mithin das, was man so umgangssprachlich als Anstellung bezeichnen würde, als auch die selbständige Arbeit. Die Personengruppe derjenigen Menschen, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, unterliegen also praktisch schon jetzt kaum Beschränkungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt.

Auf der anderen Seite hängt das Bleiberecht dieser Personen aber auch nicht unmittelbar davon ab, ob sie arbeiten, oder nicht. Das Bleiberecht dieser Personen fußt darauf, dass das BAMF festgestellt hat, dass diese Personen Schutz benötigen. Insofern bekommen die Leute ihre Aufenthaltstitel auch, wenn sie nicht arbeiten. Auf lange Sicht kann es aber schon einen Unterschied machen, wenn es beispielsweise mal um die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels gehen sollte oder um eine Einbürgerung. Dabei spielt die Integration in den Arbeitsmarkt dann durchaus eine Rolle.

2. Menschen im Asylverfahren

Während des Asylverfahrens befinden sich die Menschen meistens (meistens heißt: nicht immer) in einem Status, der sich Aufenthaltsgestattung nennt und in den § 55 ff. AsylG geregelt ist. Die Erwerbstätigkeit ist in § 61 AsylG geregelt. Dieser sieht zwei verschiedene Fristen vor: Solange die Menschen noch in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen müssen (Abs. 1), dürfen sie frühestens nach neun Monaten anfangen, zu arbeiten. Aufnahmeeinrichtung ist das, was umgangssprachlich auch so als „Camp“ bezeichnet wird. In NRW fallen darunter die diversen Einrichtungen, die die Menschen durchlaufen müssen, bevor sie einer Kommune zugewiesen werden, also LEA (Landeserstaufnahme), EAE (Erstaufnahmeeinrichtung), ZUE (Zentrale Unterbringungseinrichtung), usw.

Grundsätzlich müssen alle Menschen, die einen Asylantrag stellen, in einem Camp wohnen, bis die Zuweisung erfolgt, wenngleich es durchaus ein paar Ausnahmen gibt. Im Regelfall sieht § 47 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine Verpflichtung vor, bis zu 18 Monate in einer solchen Einrichtung wohnen zu bleiben. Aufgrund der Auslastung der Kommunen geht der Trend auch dahin, diesen Zeitraum zunehmend auszuschöpfen.

Soweit schon eine Zuweisung erfolgt ist (Abs. 2), ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach drei Monaten möglich. In beiden Fällen sind jedoch eine Reihe von Einschränkungen zu beachten:

„Sichere Herkunftsstaaten“

Für Staatsangehörige sog. „sicherer Herkunftsländer“ gilt ein kategorisches Arbeitsverbot. Ausnahmen sind nicht vorgesehen. Dies folgt aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 bzw. Abs. 2 Satz 4 AsylG. Dies betrifft namentlich Menschen vom sog. Westbalkan (z.B. Kosovo, Serbien, Albanien, Nordmazedonien), Ghana und Senegal.

SPD, Grüne und FDP haben beschlossen, dass auch Georgien und die Republik Moldau zu „sicheren Herkunftsländern“ erklärt werden sollen. Das wird bedeuten, dass auch schutzsuchende Personen aus diesen Ländern fürderhin vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sein werden. Merkwürdigerweise kann ich mich nicht erinnern, dass dieser Umstand irgendwann mal in der medialen Berichterstattung auch nur erwähnt worden wäre.

Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit

Darüber hinaus ist das ganze Verfahren maximal bürokratisch ausgestaltet. Beide Absätze verweisen auf die „§§ 39, 40 Absatz 1 Nummer 1 und Absatz 2 und die §§ 41 und 42 des Aufenthaltsgesetzes“. Diese sehen eine Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit (BA) vor. Das bedeutet praktisch: Die Leute müssen sich ein schlappe sechs Seiten langes Formular von der Website der Bundesagentur für Arbeit herunterladen. Der Arbeitgeber muss dieses Formular ausfüllen, was in der Regel schon große Freude bei Arbeitgebern auslöst. Dieses Formular muss dann bei der Ausländerbehörde abgegeben werden. Die Ausländerbehörde (ABH) schickt es dann an die BA, die einige Prüfungen durchführt, bei denen etwa darauf geachtet wird, dass der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird und die Leute nicht wesentlich schlechter bezahlt werden, also sonst in dieser Branche in der jeweiligen Region üblich. Die BA entscheidet dann, ob sie der Aufnahme der Erwerbsfähigkeit zustimmt, oder nicht, und teilt ihre Entscheidung denn der ABH mit. Die ABH hat dann selbst auch noch mal einen Ermessensspielraum, ob sie die Arbeitsaufnahme gestatten möchte, oder nicht. Wenn alles glattläuft, bekommt man dann nach etwa zwei Wochen einen Termin bei der ABH, bei dem die Gestattung dieser Beschäftigung in die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung eingetragen wird. Dabei ist die Erlaubnis zur Beschäftigung an diesen konkreten Arbeitsplatz gebunden. Will man später den Arbeitsplatz wechseln, muss man das gesamte Verfahren erneut durchlaufen.

Keine „Vorrangprüfung“

Was es grundsätzlich nicht mehr gibt, ist die sog. Vorrangprüfung. Was das ist, ergibt sich aus § 39 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG. Im Prinzip läuft das darauf hinaus, dass die BA zunächst nachprüft, ob für den jeweiligen Arbeitsplatz vielleicht andere Menschen mit vorrangigem Zugang zum Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, das wären dann u.a. Deutsche oder andere EU-Europäer*innen.

Die Vorrangprüfung ist freilich aufgrund der derzeitigen Situation auf dem Arbeitsmarkt eher aus der Mode geraten. Das Gesetz sieht sie allerdings weiterhin vor, und es gibt auch immer noch Fallkonstellationen, in denen sie relevant wird. § 39 Abs. 3 Nr. 3 AufenthG bestimmt aber ja ausdrücklich, dass es auf die Vorrangprüfung nur ankommt, soweit ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung dies vorsieht. Die relevante Rechtsverordnung in diesem Zusammenhang ist die Beschäftigungsverordnung (BeschV). Diese sieht eine Vorrangprüfung für Menschen in der Aufenthaltsgestattung eben gerade nicht (mehr) vor, sodass sie in diesem speziellen Kontext jedenfalls derzeit keine Rolle spielt.

Keine Vorteile im Asylverfahren

Um bei der Gelegenheit dann direkt noch mal ein weiteres, leider sehr weit verbreitetes Missverständnis abzuräumen: Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bringt praktisch kaum Vorteile im Asylverfahren.

Im Asylverfahren geht es darum, welche Gefahren im Herkunftsland (oder ggf. in irgendwelchen Drittstaaten) drohen, und ob eine Rückkehr dorthin trotzdem zumutbar ist. Es geht dort nicht darum, wie gut und schnell man sich in Deutschland integriert. Ich erlebe es leider sehr oft, dass mir Leute irgendeinen Arbeitsvertrag und ein paar Lohnabrechnungen hereinreichen, in der Erwartung, dass ich diese an das Gericht bzw. das BAMF weiterleiten werde und die Leute dann schnell eine positive Entscheidung bekommen werden. Es tut mir leid, aber so läuft das leider nicht.

Ich kann mich zwar tatsächlich an eine knappe Hand voll Fälle erinnern, in denen ich so ein bisschen das Gefühl hat, dass das Gericht die Augen zugedrückt hat, weil sich die Leute in der Verhandlung smart verkauft und einen guten Eindruck auf das Gericht gemacht haben. Freilich kann sowas auf der psychologischen Ebene einen gewissen Effekt haben. Auch Richter*innen sind nur Menschen; es wäre schon sehr naiv, anzunehmen, dass Dinge wie Sympathie etc. sich gar nicht auf ihre Entscheidungen auswirken würden.

Hierbei handelt es sich aber wirklich nur um einen psychologischen Effekt von eher untergeordneter Bedeutung. Rechtlich kann die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sogar einen eher nachteiligen Effekt haben: Wenn jemand so tüchtig ist, nach relativ kurzer Zeit auf wirtschaftlich eigenen Beinen zu stehen, kann man dann nicht erwarten, dass ihr*ihm dies auch in Italien, Mogadischu, Kabul, was auch immer gelingen wird?

„Spurwechsel“

Ein Dauerbrenner in der rechtspolitischen Debatte ist der sog. Spurwechsel. Spurwechsel ist kein wirklich juristisch klar definierter Begriff, und insofern können mit dem Begriff je nach Kontext auch durchaus unterschiedliche Dinge gemeint sein bzw., es kann mitunter auch etwas unklar sein, was genau damit gemeint ist. Aber im Kontext der Debatte um Flucht und Migration geht es im Kern in der Regel um die Frage, ob es möglich sein soll, aus einem Asylverfahren und/oder einer Duldung heraus in ein Aufenthaltsrecht aufgrund einer Erwerbstätigkeit zu wechseln.

Nach derzeit geltender Rechtslage schließen § 10 Abs. 1 und § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG einen solchen Spurwechsel faktisch weitgehend aus. § 10 Abs. 1 AufenthG bestimmt, dass während eines Asylverfahrens grundsätzlich keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden darf, von sehr wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. § 5 Abs. 2 AufenthG bestimmt zudem, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich voraussetzt, dass man bereits mit einem passenden Visum eingereist ist. Wer also eine Aufenthaltserlaubnis für eine Beschäftigung als sogenannte „Fachkraft“ möchte, muss bereits mit einem Visum für eine Beschäftigung als Fachkraft hergekommen sein. Das ist bei Geflüchteten eben in aller Regel nicht der Fall. Wer mit einem derartigen Visum einreist, wird selten einen Asylantrag stellen, sondern eher direkt den passenden Aufenthaltstitel.

Nun ließe sich die Sperrwirkung des § 10 Abs. 1 AufenthG noch theoretisch recht einfach beseitigen, indem man den Asylantrag einfach zurücknimmt. Damit wäre allerdings nicht allzu viel gewonnen, weil dann die Sperrwirkung des § 10 Abs. 3 AufenthG eingreift, für Fälle, in denen einen Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wird, ebenfalls eine Sperrwirkung vorsieht. Diese Sperrwirkung ist zwar etwas weniger weitreichend; es gibt also einige Ausnahmen mehr. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, das jetzt im Detail erklären zu wollen. Es bleibt aber jedenfalls dabei, dass auch nach Ablehnung oder Rücknahme eines Asylantrages nicht ohne Weiteres eine Aufenthaltserlaubnis etwa zur Beschäftigung als Fachkraft erteilt werden kann.

Der Hintergrund dieser Regelungen ist der leider immer noch sehr wirkmächtige Mythos des „Pull-Effekts“: Wenn sich erst einmal herumspräche, dass man in Deutschland bleiben darf, wenn man hier anfängt zu arbeiten, dann kämen bestimmt ganz viele Menschen nach Deutschland, um hier zu arbeiten, und das wiederum wäre der Albtraum konservativer Menschen. Abgesehen davon, dass es keine empirischen Belege für diese Behauptung klingt, schwingt hier freilich eine Menge Selbstüberschätzung eines Landes, das noch immer nicht bereit ist, sich seine eigene Zweitklassigkeit einzugestehen, mit.

Der sog. „Ampel“ ist nun immerhin zugute zu halten, dass sie erste, allerdings sehr zaghafte Versuche unternimmt, diesen Mythos zu überwinden. Es wurde bereits eine Regelung beschlossen, die einen Spurwechsel immerhin solchen Menschen ermöglicht, die bereits am 29.03.2023 im Asylverfahren waren. Wenn diese Menschen ihren Asylantrag freiwillig zurücknehmen, soll ihnen demzufolge eine Aufenthaltserlaubnis für eine Beschäftigung als Fachkraft erteilt werden können.

Für uns Menschen, die in der Beratung geflüchteter Menschen arbeiten, bedeutet das praktisch, dass wir uns in jedem Fall, in dem wir es mit noch nicht abgeschlossenen Asylverfahren zu tun haben, die bereits am 29.03.2023 liefen, überlegen müssen, wie die Erfolgsaussichten des Asylantrages sind, oder ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis zur Fachkräftezuwanderung vorliegen, und ob es aus diesem Grunde zweckmäßig sein könnte, dazu zu raten, den Asylantrag zurückzunehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die entsprechende Regelung noch nicht in Kraft getreten ist, und die betroffenen Personen also möglicherweise in der Zwischenzeit auch abgeschoben werden könnten.

3. Nach Ablehnung eines Asylantrages

Wurde der Asylantrag bestandskräftig abgelehnt, so rutschen die Leute in die berüchtigte Duldung (§ 60a AufenthG). Auch in der Duldung ist es im Prinzip möglich, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Das Verfahren ist insoweit grundsätzlich ähnlich, wie in der Aufenthaltsgestattung. Auch in der Duldung darf man prinzipiell nach drei Monaten anfangen, zu arbeiten (§ 32 Abs. 1 BeschV); auch diese Regelung verweist auf die entsprechenden Bestimmungen zur Beteiligung der BA, sodass das oben Gesagte für diese Personengruppe entsprechend gilt.

Ausschlussgründe

§ 60a Abs. 6 AufenthG regelt indes einige Ausschlussgründe. Das Arbeitsverbot für Menschen aus „sicheren Herkunftsländern“ wird hier unbefristet und ohne Ausnahme in die Zeit nach Ablehnung der Asylanträge verlängert (§ 60 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG). Jede Integration dieser Menschen in den Arbeitsmarkt wird strikt unterbunden. Man muss das sehr deutlich so feststellen, dass es der erkennbare Wille des Gesetzgebers ist, diese Menschen vom Arbeitsmarkt dauerhaft auszuschließen. Man erhofft sich davon ein sog. „Signal“ in das Herkunftsland: Die Menschen dort sollen erkennen, dass es sich nicht lohnt, nach Deutschland zu kommen, und hier Asylanträge zu stellen.

Einer der wohl häufigsten Streitpunkte zwischen Ausländerbehörden und Anwält*innen bzw. Unterstützer*innen von Geflüchteten betritt die sog. Mitwirkungspflichten (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Hierbei handelt es sich um ein weites Feld. Im Rahmen dieses Artikels kann ich hier nur an der Oberfläche kratzen. Es geht beispielsweise häufig darum, dass Leute keinen Pass vorlegen (können), und die ABH den Leuten dann vorwirft, die Unmöglichkeit ihrer Abschiebung durch die Nichtvorlage des Passes selbst herbei zu führen, was dann als Verletzung der Mitwirkungspflicht im Sinne dieser Bestimmung gewertet wird.

Wenn die Voraussetzungen für einen Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG vorliegen, so darf die ABH die Beschäftigung nicht gestatten. Einen Ermessensspielraum gibt es nicht.

Wohin sowas dann führt, lässt sich beispielsweise am Beispiel von Afghanistan nachvollziehen: Jahrelang hat man Menschen aus Afghanistan, deren Asylanträge abgelehnt wurde, die Integration in den Arbeitsmarkt verweigert, wenn sie keine Tazkira (eine Art Geburtsurkunde) und keinen Pass vorgelegt haben. Abgeschoben wurden die allerwenigsten von ihnen. Mittlerweile ist klar, dass Abschiebungen nach Afghanistan auf lange Zeit nicht möglich sein und die Betroffenen hier bleiben werden. Viele von ihnen könnten schon seit Jahren arbeiten und hätten dies auch gerne getan, wenn man sie nur gelassen hätten. Stattdessen hat man sie jahrelang gezwungen, Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen.

Keine allgemeine Beschäftigungserlaubnis nach vier Jahren

Ich erwähnte bereits eingangs, dass ein wesentliches praktisches Problem in der chronischen Überlastung der Ausländerbehörden liegt. Dazu trägt eben auch bei, dass die Arbeitserlaubnis stets an einen bestimmten Arbeitsplatz gebunden erteilt wird. Jeder Wechsel des Arbeitsplatzes muss also erneut genehmigt werden. Wenigstens dieser Unsinn ließe sich doch recht einfach abschaffen.

Früher war es immerhin noch so, dass nach vier Jahren in der Duldung eine allgemeine Beschäftigungserlaubnis erteilt worden ist, was mit § 32 Abs. 2 Nr. 5 BeschV begründet wurde. Dieser Praxis hat das VG Düsseldorf mit Beschluss vom 26.07.2021 – 8 L 1431/21 – leider einen Riegel vorgeschoben. Dies begründet das Gericht – methodisch durchaus plausibel – mit dem Wortlaut der Vorschrift. Da steht eben nicht, dass nach vier Jahren ein uneingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt besteht, sondern da steht nur, dass die BA nach vier Jahren nicht mehr zustimmen muss.

Zumindest in NRW gilt seither, dass es für Menschen in der Duldung praktisch gar nicht mehr möglich ist, eine uneingeschränkte Beschäftigungserlaubnis zu bekommen.

Kein automatisches Bleiberecht durch Arbeit

Auch hier muss ich leider noch mal ein Missverständnis abräumen: Eine Arbeitsaufnahme führt leider nicht dazu, dass eine Person automatisch ein Recht bekommt, in Deutschland zu bleiben, zumal auch in diesen Fällen die bereits erwähnten Auswirkung der §§ 5 Abs. 2 und 10 Abs. 3 AufenthG zu berücksichtigen sind, die eine Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung in den meisten Fällen ausschließen. Es dürfen also auch Menschen, die arbeiten, prinzipiell abgeschoben werden.

Ein Bleiberecht sieht das Gesetz vielmehr nur in bestimmten Fällen vor, etwa für eine Ausbildung (§ 60c AufenthG) oder im Falle der Beschäftigungsduldung (§ 60d AufenthG). Damit in diesen Fällen jedoch wirklich ein Abschiebungsschutz entsteht, müssen jeweils noch eine ganze Reihe weiterer Voraussetzungen erfüllt sein, weswegen insbesondere die Beschäftigungsduldung praktisch keine besonders große Relevanz hat. Hinzu kommt, dass diese Vorschrift ohnehin zum Ende dieses Jahres ausläuft. Zwar hat die „Ampel“ in ihrem Koalitionsvertrag eine Nachfolgeregelung für diese Bestimmung angekündigt. Derzeit ist eine solche jedoch nicht absehbar.

Bei der Ausbildungsduldung ist es hingegen sogar so, dass sie in einigen Monaten zu einer Aufenthaltserlaubnis nach dem dann neu in Kraft tretenden § 16g AufenthG aufgewertet wird, was im Prinzip sehr sinnvoll ist, aber möglicherweise auch dazu führen wird, dass es dann auch schwieriger werden könnte, diese Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Im schlimmsten Falle führt es dazu, dass Personen, die nach derzeit noch geltender Rechtslage eine Ausbildungsduldung nach § 60c AufenthG bekommen können, in Zukunft von der entsprechenden Regelung faktisch ausgeschlossen sind. Hierzu hat die Rechtsberaterkonferenz eine Stellungnahme verfasst. Eine Kurzfassung dieser Stellungnahme wird als Leidartikel in der nächsten Ausgabe der ANA-ZAR erscheinen, die derzeit gedruckt wird und in Kürze auf der Website abrufbar sein dürfte.

Was fehlt: Pragmatismus

Wenn man die Debatte aus linker Perspektive betrachtet, darf man nicht der Versuchung erliegen, sie alleine entlang ökonomischer Bedürfnisse zu führen. Es entsteht schnell der Eindruck, dass der Wert eines Menschen davon abhängt, dass sie*er bereit ist, sich in westfälischen Gammelfleischfabriken ausbeuten zu lassen.

Darum geht es hier aber gerade meiner Meinung nach nicht wirklich. Wir befinden uns gerade in einer Situation, in der sich Länder und Kommunen über eine angespannte Situation in ihren Unterbringungseinrichtungen beklagen. In dieser Situation wäre es gerade einfach nur ein pragmatischer erster Schritt, durch großzügige und unbürokratische Regelungen zum Spurwechsel jedenfalls denjenigen Menschen, die es können und wollen, die Möglichkeit zu geben, auf eigenen Beinen zu stehen, und hierdurch zugleich die Länder und Kommunen zu entlasten. Es hätten einfach alle etwas davon, zumal auch in kleinerem Umfang weitere Menschen, Kinder beispielsweise, davon profitieren könnten.

Unter den gegebenen Umständen ist es nun einmal eine Tatsache, dass Erwerbstätigkeit gleichzeitig ein Schlüssel zu gesellschaftlicher Integration ist. Man mag das bedauern und man mag sich gerne eine Welt wünschen, in der das anders ist. Das ändert nur leider gerade kurzfristig nichts daran. Auch deswegen ist es sinnvoll, jedenfalls den Menschen, die dies wollen und können, diese Möglichkeit zu geben.

Und vielleicht bin ich da ein bisschen zu naiv. Aber ich erhoffe mir einfach auch einen langfristigen, positiven gesellschaftlichen Effekt für die Debatte, wenn Flucht und Migration eben nicht immer nur als Problem geframet wird, als etwas, das kontrolliert, streng reglementiert und gesteuert werden muss, sondern als eine Tatsache, als etwas, was es immer schon gab und immer geben wird, und das einer Gesellschaft auch Vorteile bringt, wenn man sie denn nur zuzulassen bereit ist.


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